Autor Volker Kitz
Eine Riesenchance: Sie sollen vor den Führungskräften Ihrer Branche einen Vortrag halten. Leider haben Sie nicht viel Ahnung vom Thema - und noch eine Woche Zeit. Verbringen Sie die Zeit eher damit, sich ins Thema zu vergraben? Oder lieber damit, sich etwas Passendes zum Anziehen zu kaufen?
Die Antwort gibt ein berühmtes Experiment: Man stellt Probanden einen Redner vor - "Dr. Myron L. Fox, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Anwendung von Mathematik auf das menschliche Verhalten". Er ist gut gekleidet, tritt vornehm auf; seine Stimme klingt kompetent. Dr. Fox spricht zum Thema "Die Anwendung der mathematischen Spieltheorie in der Ausbildung von Ärzten".
Hinterher stellen die Zuhörer - also die Probanden - Fragen und diskutieren angeregt mit Dr. Fox. Sie berichten, sie hätten einen interessanten Vortrag gehört und viel gelernt.
Niemandem fällt auf, dass "Dr. Fox" in Wirklichkeit ein Schauspieler ist, dem aufgetragen wurde, komplett widersprüchlichen Unsinn zu erzählen. Sein wissenschaftlicher Lebenslauf ist frei erfunden.
Dem Experten glauben wir fast alles
Nun denken Sie vielleicht: Kein Wunder, wenn die Zuhörer selbst keine Ahnung haben, also Laien sind. Das sind sie auch - aber nur zum Teil. Der andere Teil der Probanden besteht aus Fachleuten, die sich gut auskennen "auf dem Gebiet der Anwendung von Mathematik auf das menschliche Verhalten".
Auch ihnen fällt nichts auf.
Kaum zu glauben? Denken Sie nur an Comedians, die sich vor ahnungslosen Zuschauern als Professoren oder hochintellektuelle Schriftsteller mit Wasserglas auf dem Tisch ausgeben. Selbst Fachleute fallen regelmäßig darauf herein.
Der Dr.-Fox-Effekt besagt: Wenn jemand nur ordentlich angezogen ist, ordentlich spricht und uns als Experte vorgestellt wird, dann glauben wir ihm fast alles.
Gerade im Arbeitsleben tummelt sich Dr. Fox überall: Besonders auf den oberen Ebenen reden die Menschen um die Wette über Dinge, von denen sie keine Ahnung haben. Das kann man ihnen nicht einmal vorwerfen: Ab einer gewissen Hierarchieebene kann man gar nicht mehr alles verstehen, was man entscheiden soll. Im Gegenteil: Es gehört gerade zu den notwendigen Fähigkeiten einer Führungskraft, über Dinge zu beraten und zu entscheiden, von denen sie keine Ahnung hat - ganz ironiefrei gesagt.
Aussehen schlägt Wissen
Auch Politiker leben vom Dr.-Fox-Effekt. Da äußern sich Bundestagsabgeordnete zur Neuregelung des Patentgesetzes oder zur Regulierung des Finanzmarkts - und sind in ihrem eigentlichen Beruf Deutschlehrer (nichts gegen Deutschlehrer) oder Physiotherapeuten (nichts gegen Physiotherapeuten). Sie können gar nicht alles von dem wissen, was sie entscheiden sollen. Und trotzdem haben die Menschen ein vergleichsweise hohes Vertrauen in sie.
Das Dr.-Fox-Experiment lehrt uns folglich zwar nichts Brauchbares über "Die Anwendung der mathematischen Spieltheorie in der Ausbildung von Ärzten". Aber es lehrt uns das: Gerade wenn Sie zu den Menschen gehören, die auf Äußerlichkeiten nicht viel geben und eher inhaltlich überzeugen wollen, tun Sie sich vielleicht einen Gefallen, wenn Sie ein wenig umdenken. Sich nur um die Sache zu kümmern, klingt zwar nobel. Aber das Experiment zeigt, dass Sie mit einer anderen Strategie vielleicht (noch) erfolgreicher sein könnten.
Der Anzug oder das Kostüm ist häufig wichtiger als das Argument. Trauen Sie sich also. Die meisten Dinge können Sie mindestens genauso gut wie alle anderen Menschen auch.
Autor: Volker Kitz
Volker Kitz hat Jura und Psychologie studiert und unter anderem als Wissenschaftler am Max-Planck-Institut gearbeitet. Heute lebt er als freier Autor in München. In der Reihe "Büropsychologie" stellen wir seine besten Bürotricks vor. Sie sind seinem aktuellen Buch entnommen: "Warum uns das Denken nicht in den Kopf will. Noch mehr nützliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie"(gemeinsam mit Manuel Tusch)
Ich möchte mein Zeitmanagement und meine Arbeitsorganisation verbessern.