Autor Willy Knüsel
Zeitfressend, sinnlos, demotivierend: Viele Arbeitnehmer reagieren gereizt auf das Stichwort «Sitzungen». Dabei können diese ein Gewinn sein, wenn man ein paar Regeln beachtet.
Die Journalistin Vera Sohmer interviewt Willy Knüsel, Trainer für Arbeitsmethodik zum Thema Sitzungen. Dieses Interview ist in der «Schweiz am Sonntag» erschienen.
Vera Sohmer: Wozu braucht es Sitzungen überhaupt?
Willy Knüsel: Sie sind sinnvoll, um verschiedene Sichtweisen zu diskutieren, Probleme zu lösen, Entscheidungen zu treffen. Und über wichtige Dinge zu informieren, etwa neue Projekte, einen Strategiewechsel oder wesentliche Änderungen in der Personalpolitik. Und nicht zuletzt haben sie auch eine soziale Komponente, sie stärken das Wir-Gefühl.
Warum nerven sich viele Angestellte über Sitzungen?
Sie haben das Gefühl, dass ihnen die Zeit gestohlen wird. Sie müssen an zu vielen Sitzungen teilnehmen, und dann auch noch an welchen, in denen nur palavert wird, die nichts bringen. Die Angestellten sagen sich: Diese Zeit hätte ich sinnvoller nutzen können, nämlich dafür, meiner Arbeit nachzugehen. So entsteht Frust.
Hat die Zahl der Sitzungen zugenommen in den letzten Jahren?
Nach meiner Beobachtung ja. Laut einer Studie verbrachten Schweizer Angestellte bereits vor zehn Jahren 30 Prozent ihrer Arbeitszeit an Sitzungen. Manager zwischen 50 und 70 Prozent. Heute dürfte es noch mehr sein.
Warum?
Das hat mehrere Gründe. Wir müssen heute sehr viele Informationen innerhalb kurzer Zeit verarbeiten. Um sie zugänglich zu machen, werden oft Sitzungen einberufen – ohne sich zu überlegen, ob man die Informationen nicht auch per Intranet oder Mail hätte verbreiten können. Oft beobachte ich in Unternehmen auch, dass schnell auf unausgegorene Ideen oder Projekte aufgesprungen wird. Besprochen werden sie in Sitzungen – und nicht selten verläuft die Sache im Sand. Und schliesslich ist eine hohe Sitzungsdichte auch Ausdruck von Führungsschwäche. Wer nicht entscheiden kann oder will, bespricht die Sachlage in grosser Runde.
Lauter Sitzungen also, die man sich hätte sparen können?
Ja, und dass viele unnötig sind, untermauern weitere Studien. Demnach wird jede zweite Sitzung als überflüssig eingestuft. 90 Prozent der Sitzungen als ineffizient. Und 70 Prozent enden ohne Entscheidungen.
An vielen Sitzungen wissen Mitarbeiter noch nicht einmal, was sie erwartet. Wie kann das sein?
Die Sitzungen sind schlecht oder gar nicht vorbereitet. Und das kommt nicht von ungefähr. Viele Manager hetzen heute von einem Meeting zum anderen. Sechs an einem Tag, das kommt durchaus vor. Für Vorbereitung bleibt keine Zeit. Die Themen werden dann ad hoc besprochen.
Was sind weitere, häufige Fehler?
Zu viele Themen. Und zu viele Teilnehmer. Je mehr es sind, desto weniger Ergebnisse bringen die Sitzungen pro Kopf.
Weil jeder den Eindruck hat, auch noch etwas sagen zu müssen?
Zum einen das, zum anderen sucht eine grosse Runde automatisch den kleinsten gemeinsamen Nenner. Man strebt nicht die optimale Lösung an, sondern eine, die am ehesten für alle passt.
Warum nehmen an Sitzungen oft Leute teil, die gar nichts zur Sache beitragen können?
Auch dies hängt mit mangelnder Vorbereitung zusammen, damit, sich nicht überlegt zu haben, wer in der Materie kompetent ist. Oft werden die Leute eingeladen nach dem Motto: Den muss ich berücksichtigen, sonst ist er düpiert.
Was zeichnet einen guten Sitzungsleiter aus?
Er muss das Ziel der Sitzung definieren und darauf bestehen, dass die Teilnehmer vorbereitet sind, also das Ziel und die Traktanden kennen. Er muss zudem straff moderieren. Das bedeutet, Vielredner in die Schranken zu weisen, die Redezeit zu begrenzen, und jemanden zu ermahnen, wenn er wortreich vom Hauptthema abschweift, er nicht mehr lösungsorientiert und sachlich argumentiert. Ein guter Sitzungsleiter muss darüber hinaus Umsetzung fordern. Das kann er mit einer einfachen Frage: Wer macht was bis wann? Wichtig ist auch, die Ergebnisse zu kontrollieren.
Warum fehlt oft der Mut, eine Sitzung auch mal abzusagen?
Weil auch hier eine wichtige Fragen nicht gestellt wird: Ist die Sitzung wirklich nötig? Lautet die Antwort „nein“, kann man getrost darauf verzichten.
Nicht teilnehmen – ist das in Unternehmen akzeptiert?
Meiner Erfahrung nach ja, und Angestellte, die über häufige und unnötige Sitzungen klagen, kann ich dazu nur ermutigen. Wer unsicher ist, ob seine Anwesenheit doch notwendig ist, fragt am besten den Sitzungsleiter. Oft stellt sich heraus, dass sich bestimmte Themen auch bilateral besprechen lassen, und zwar in einem Bruchteil der Zeit.
Ich möchte mein Zeitmanagement und meine Arbeitsorganisation verbessern.