Autor Matthias Mächler, Tages-Anzeiger
Kleiner Test mit zwei Freunden im hohen Management: Ich sende ein E-Mail an ihre Privatadressen. Der eine antwortet postwendend, der andere nach einer halben Stunde mit «Sorry, war gerade an einem Meeting». Beide haben neben dem Geschäftsmail auch ihr privates aktiv, und ich bin bestimmt nicht der Einzige, mit dem sie kommunizieren.
Der Finanzdienstleister Sterling Commerce hat herausgefunden, dass durchschnittlich 17,2 Tage pro Jahr und Mitarbeiter fremdgemailt und -gesurft wird. Dass also über drei Arbeitswochen Zeit draufgeht, die in keinerlei Zusammenhang mit dem Job steht. Und da jammern alle, sie hätten Stress.
«Das haben sie auch», sagt Cornelius König, Arbeitspsychologe der Universität Zürich. «Denn sie können der süssen Verlockung eines unmittelbaren Erlebnisses nicht widerstehen. Sie greifen nach dem Zückerchen, obwohl sie wissen, dass es sie von ihrem Projekt abhält und in Zeitnot bringt.»
Viele Menschen hätten grosse Mühe, Handy und E-Mail zu ignorieren oder die Bürotür auch mal zu schliessen, sagt König: «Neben der willkommenen Abwechslung im Arbeitsalltag hat dies auch soziale Gründe: Sie suchen den Austausch, möchten alles mitbekommen und auf keinen Fall in die Rolle eines Sonderlings, fallen, indem sie andere rüde abweisen.»
Neben dem Problem der «Selbstunterbrechung» gibt es noch einen anderen, nicht minder akuten Stressfaktor: die Fremdstörung. Gerade Manager werden von ständigem Kommunizieren bestimmt. Im Minutentakt blinken E-Mails auf, das Telefon klingelt, die elektronische Agenda ruft zur Sitzung und das Smartphone meldet den nächste Anrufer. Die Sekretärin sendet ein SMS über eine Terminverschiebung, und auf Skype meldet sich der Partner aus London. Es bleibt kaum Zeit, um in Ruhe einem Projekt nachzugehen.
Eine Studie der US-Firma Basex besagt, dass durch das ständige Unterbrochenwerden 28 Milliarden Arbeitsstunden drauf gehen, was die amerikanische Wirtschaft jährlich 588 Milliarden Dollar kostet. Und die «Financial Times – Deutschland» schreibt von einem neuen Leiden unter Manager: die permanente Zerstreutheit. Die vielen Reize, denen sie gleichzeitig ausgesetzt sind, werden zum Problem. Denn je häufiger jemand aus seiner Beschäftigung gerissen wird, desto mehr Fehler macht er.
Just diesem Trend widmet sich Philipp Käser, Ökonom an der Universität Zürich, in seinem Forschungsgebiet «Betriebliches Gesundheitsmanagement». Unter anderem entwickelt er Modelle, um das Übermass an Störungen während der Arbeit einzudämmen. «Wenn Kommunikation Teil des Jobs ist, dann braucht es diese genauso wie die Zeit fürs individuelle Arbeiten», sagt er. «Die Frage ist: Wie bringt man Kommunizieren und konzentriertes Arbeiten zusammen.» Käser plädiert für Zeitblocks, die man am besten gleich mit der ganzen Abteilung vereinbart: klar definierte Stunden der «offenen Bürotür» und Zeitfenster, in welchen konzentriert und unerreichbar gearbeitet werden kann.
Ich möchte mein Zeitmanagement und meine Arbeitsorganisation verbessern.